Tess von d'Urbervilles: Eine reine Frau (German Edition) by Thomas Hardy

Tess von d'Urbervilles: Eine reine Frau (German Edition) by Thomas Hardy

Autor:Thomas Hardy [Hardy, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492961370
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2015-01-23T05:00:00+00:00


5. Phase

Die Folge (Fortsetzung)

33

Angel empfand den Wunsch, vor der Hochzeit mit Tess einen Tag irgendwo fern von der Meierei zu verbringen; ein letzter gemeinsamer Ausflug, solange sie noch Liebesleute waren; ein romantischer Tag unter Umständen, die sich nie wiederholen würden, während jener andere, größere Tag nahe vor ihnen aufstrahlte. In der Woche vor der Trauung regte er folglich an, in der nächsten Stadt ein paar Einkäufe zu besorgen, und sie brachen miteinander auf.

Clare hatte in der Meierei das Leben eines Einsiedlers geführt. Monatelang kam er keiner Stadt in die Nähe, und da er kein Fuhrwerk brauchte, hielt er sich auch keins, sondern mietete des Meiers Klepper oder Gig, wenn er fahren oder reiten wollte. An diesem Tag nahmen sie das Gig.

Und dann bummelten sie zum erstenmal in ihrem Leben mit gemeinsamen Wünschen und Interessen durch die Läden. Es war der Weihnachtsabend mit seiner Fülle von Misteln und Stechpalmen, und die Stadt wimmelte von Fremden, die anläßlich des Festes aus allen Teilen der Gegend herbeigeströmt waren.

Tess schritt an Clares Arm durch das Gewühl, und das Glück, das ihrer Züge Schönheit erhöhte, mußte sie damit büßen, daß aller Augen nach ihr starrten.

Abends kehrten sie zu dem Gasthof zurück, wo sie eingestellt hatten, und Tess wartete im Torweg, während Angel sich entfernte, um den Wagen vor die Tür zu beordern. Die große Wirtsstube war voller Gäste, die beständig aus- und eingingen. Jedesmal, wenn sich die Tür öffnete oder schloß, fiel das Licht aus dem Gastzimmer voll auf Tess’ Gesicht. Zwei Männer kamen heraus und schritten mit den andern an ihr vorüber. Einer dieser beiden starrte sie überrascht von oben bis unten an, und sie glaubte, er müsse ein Trantridger sein, obgleich dieses Dorf so viele Meilen entfernt lag, daß Leute aus Trantridge hier eine Seltenheit waren.

»Ein hübsches Mädchen, das«, sagte der andere.

»Ja, recht hübsch. Aber wenn ich mich nicht sehr irre –«, und er beschwor sogleich den Rest seiner Bemerkung.

Clare war eben aus dem Stallhof zurückgekommen, begegnete dem Mann auf der Schwelle, hörte die Worte und sah Tess zusammenschrecken. Die Beleidigung entfachte seinen Zorn, und ohne die mindeste Überlegung schlug er den Mann aus voller Kraft mit der Faust gegen das Kinn, so daß er rücklings in die Einfahrt taumelte.

Der Mann rappelte sich auf und schien geneigt, anzubinden, und Clare trat vor die Tür hinaus, wo er sich in Verteidigungsstellung warf. Aber sein Widersacher begann sich eines Bessern zu besinnen. Er warf von neuem einen Blick auf Tess, während er an ihr vorüberkam, und sagte zu Clare:

»Verzeihen Sie, Sir, ’s war ein purer Irrtum. Ich hielt sie für ’ne Frau, vierzig Meilen von hier.«

Clare, der fühlte, daß er zu hastig gewesen und daß er überdies zu tadeln sei, weil er Tess in der Einfahrt eines Gasthofes hatte stehen lassen, tat, was er gewöhnlich in solchen Fällen zu tun pflegte, und schenkte dem Mann fünf Schillinge als ein Pflaster für den Schlag; und so schieden sie mit einem friedlichen Gutenachtgruß, Sobald Clare dem Stallknecht die Zügel aus der Hand genommen hatte und das junge Paar abgefahren war, entfernten sich die beiden Männer nach der andern Richtung.



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